Hallo zusammen,
ich möchte hier noch einmal auf einen wirklich tollen Beitrag von Michi alias Sunfreak reinstellen, den es auch schon im alten Forum gab und urprünglich aus dem Hausgarten-Forum stammt. Die Quelle ist hier.
Aber übergeben wir Sunfreak das Wort - zur besseren Lesbarkeit nicht als Zitat:
Also erstmal folgende Grundregel: Hat einmal eine Kreuzung stattgefunden wird man nie mehr die Ausgangsform erhalten können.
Aber wie erkläre ich das jetzt am besten?
Das ist garnicht so einfach...
Also 'Minibel' und 'Black Cherry' entspricht der sog. Parentalgeneration. Oder zu deutsch: Das sind die Eltern. Kreuzen sich beide Sorten miteinander, kombinieren sich die Erbinformation neu. Das heißt die heranwachsenden Samen tragen Merkmale beider Sorten in sich. Im Prinzip ganz genau so wie beim Menschen: Da hat dann der Nachwuchs die Nase von der Mama und die Ohren vom Papa. Die in der Mutterpflanzen heranwachsenden Samen entsprechen der Filialgeneration 1 (kurz: F1). Würde man mit diesen Samen eine Samentüte beschriften wollen, müsste der Aufdruck so aussehen:
Zieht man nun Pflanzen dieser selbst gewonnenen F1-Samen heran passiert folgendes: Keiner der Pflanzen wird den kompaktwüchsigen Wuchs der Minibel haben. Denn dieses Merkmal ist rezessiv. Es treten nur dominante Merkmale in Erscheinung: Der Wuchs von 'Black Cherry'. Die Rotfrüchtigkeit von 'Minibel'. Und so weiter.
Aber die rezessiven Merkmale sind nicht verloren. Merkmale wie kompakter Wuchs oder braune Fruchtfarbe sind nach wie vor verankert. Sie treten in der F1 nur nicht in Erscheinung. Man sagt deshalb auch die Generation ist uniform.
Die F1-Pflanzen produzieren wieder Samen. Diese Samen entsprechen dann der F2-Generation. Die Samentüte sieht dann wie folgt aus:
In der F2 kam es dann zur bekannten Aufspaltung. Zieht man nun Pflanzen dieser selbst gewonnenen F2-Samen heran, sieht man dessen Auswirkungen. Schon während der Anzucht der Jungpflanzen wird man Unterschiede feststellen. Die Pflanzen sind nun nicht mehr uniform. Es kommen Dominante wie Rezessive Merkmale in Erscheinung. Die Dominanten werden aber in der Überzahl sein. Sprich: Die meisten Jungpflanzen werden wie normale Stabtomaten aussehen. Aber es werden auch Jungpflanzen mit dem bekannten kompaktwüchsigen Wuchs der Minibel auftreten. Nun könnte man bereits eine erste Selektion vornehmen: Hat man sich als Züchtungsziel eine kompaktwüchsige Tomate vorgestellt, gießt man nur kompaktwüchsige Pflanzen weiter. Die restlichen lässt man verdursten.
Am Ende vermehrt man nur eine einzige oder zumindest nur wenige Pflanzen weiter. Dabei selektiert man dann stark nach gewissen allgemeinen Kriterien wie Frühzeitigkeit, Ertragsleistung, Geschmack oder Vitalität/Robustheit (insbesondere gegenüber Braunfäule).
Hat man ein Züchtungsziel, strebt man z.B. eine kompaktwüchsige Sorte mit braunen, süß-würzigen Früchten an, sollte man natürlich auch nur von solchen Pflanzen Samen nehmen, die diesem Vorhaben entsprechen. Dabei sollte man allerdings die allgemeinen Selektionskritieren (Abschnitt weiter oben) nach wie vor berücksichtigen.
Von F2-Pflanzen gewonnene Samen entsprechen dann der F3-Generation. Hat man nur eine Pflanze vermehrt sieht die Samentüte wieder wie folgt aus:
Hat man allerdings mehrere Pflanzen vermehrt, sollte man die gewonnenen Samen auch getrennt abtüten. Und auch entsprechend individuell kennzeichnen. Jede Samentüte ist nun als ein separates Projekt zu betrachten, welches fertig gezüchtet werden muss.
Zu einer großen Aufspaltung wie in der F2 kommt es nun nicht mehr. Mit fertig züchten ist allerdings gemeint, dass die unfertige Züchtung nun stabilisiert werden muss. Das bedeutet man nimmt von Generation zu Generation immer eine Selektion vor und vermehrt jeweils nur eine Pflanze mit den besten/gewünschten Eigenschaften bzw. Merkmale weiter. Starke, unterschiedliche Pflanzen wie in der F2 kommen zwar nicht mehr vor, durchaus aber noch kleinere Unterschiede. Von Generation zu Generation werden die Pflanzen dann aber immer einheitlicher (also stabiler). Durch die Selektionen. Irgendwann ist die Züchtung dann stabil und somit fertig. Als Richtwert dafür gilt die F7. Man spricht dann von Sortenstabilität. Nun hat der Züchter die Ehre seine Sorte zu benennen. Er darf sich also einen tollen Sortennamen ausdenken...
Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen:Um eine sinnvolle Selektion vorzunehmen benötigt man einen möglichst großen Bestand einer Generation. Also möglichst viele Pflanzen einer Generation. Damit nicht ein ungeahntes Potenzial in der Samentüte schlummert. Damit man die größtmöglichste Auswahl für die bestmöglichste Wahl hat. Perfektion.
Blüten dürfen nicht unkontrolliert abblühen. Man muss eine Isolation vornehmen, die Blüten also vor Verkreuzung schützen. Eine unkontrollierte Kreuzung (z.B. durch Hummeln bei Tomaten) löst eine Neukombination der Erbinformation aus und zerstört die aufwendige Züchtung.
Man hat auch die Möglichkeit weitere Sorten einzukreuzen. Zum Beispiel kann man durch Einkreuzen mit der Wildtomate 'Solanum pimpinellifolium' lange Fruchttrauben und Robustheit gegenüber Braunfäule anstreben. Solche Einkreuzungen werden wie folgt gekennzeichnet:
Die F-Angabe innerhalb der Klammer friert dann ein. Und am Ende der Kennzeichnung beginnt man wieder mit F1. Schließlich beginnt dann der Prozess der Uniformität (F1) und der Aufspaltung (F2) von erneut (Kreuzung => genetische Neukombination hat stattgefunden)...
Alternativ kann man sich das ganze auch bildlich darstellen. Der wohl bekannteste Tomatenzüchter Tom Wagner (Züchter von 'Green Zebra') geht dabei so vor:
http://2.bp.blogspot.com/_wz6KH09KtYk/Sm...09+126.JPG
(Ich kann das Gekritzel nur nicht lesen...)
Zum Schluss: Leider kann ich kein Versprechen auf Richtigkeit für diesen Post geben. Ich bin kein Züchter. Genau genommen Blutiger Anfänger auf diesem Gebiet. [...]
Grüßle, Michi ... F1
ich möchte hier noch einmal auf einen wirklich tollen Beitrag von Michi alias Sunfreak reinstellen, den es auch schon im alten Forum gab und urprünglich aus dem Hausgarten-Forum stammt. Die Quelle ist hier.
Aber übergeben wir Sunfreak das Wort - zur besseren Lesbarkeit nicht als Zitat:
Also erstmal folgende Grundregel: Hat einmal eine Kreuzung stattgefunden wird man nie mehr die Ausgangsform erhalten können.
Aber wie erkläre ich das jetzt am besten?
Das ist garnicht so einfach...
Also 'Minibel' und 'Black Cherry' entspricht der sog. Parentalgeneration. Oder zu deutsch: Das sind die Eltern. Kreuzen sich beide Sorten miteinander, kombinieren sich die Erbinformation neu. Das heißt die heranwachsenden Samen tragen Merkmale beider Sorten in sich. Im Prinzip ganz genau so wie beim Menschen: Da hat dann der Nachwuchs die Nase von der Mama und die Ohren vom Papa. Die in der Mutterpflanzen heranwachsenden Samen entsprechen der Filialgeneration 1 (kurz: F1). Würde man mit diesen Samen eine Samentüte beschriften wollen, müsste der Aufdruck so aussehen:
'Black Cherry' x 'Minibel' F1
Zieht man nun Pflanzen dieser selbst gewonnenen F1-Samen heran passiert folgendes: Keiner der Pflanzen wird den kompaktwüchsigen Wuchs der Minibel haben. Denn dieses Merkmal ist rezessiv. Es treten nur dominante Merkmale in Erscheinung: Der Wuchs von 'Black Cherry'. Die Rotfrüchtigkeit von 'Minibel'. Und so weiter.
Aber die rezessiven Merkmale sind nicht verloren. Merkmale wie kompakter Wuchs oder braune Fruchtfarbe sind nach wie vor verankert. Sie treten in der F1 nur nicht in Erscheinung. Man sagt deshalb auch die Generation ist uniform.
Die F1-Pflanzen produzieren wieder Samen. Diese Samen entsprechen dann der F2-Generation. Die Samentüte sieht dann wie folgt aus:
'Black Cherry' x 'Minibel' F2
In der F2 kam es dann zur bekannten Aufspaltung. Zieht man nun Pflanzen dieser selbst gewonnenen F2-Samen heran, sieht man dessen Auswirkungen. Schon während der Anzucht der Jungpflanzen wird man Unterschiede feststellen. Die Pflanzen sind nun nicht mehr uniform. Es kommen Dominante wie Rezessive Merkmale in Erscheinung. Die Dominanten werden aber in der Überzahl sein. Sprich: Die meisten Jungpflanzen werden wie normale Stabtomaten aussehen. Aber es werden auch Jungpflanzen mit dem bekannten kompaktwüchsigen Wuchs der Minibel auftreten. Nun könnte man bereits eine erste Selektion vornehmen: Hat man sich als Züchtungsziel eine kompaktwüchsige Tomate vorgestellt, gießt man nur kompaktwüchsige Pflanzen weiter. Die restlichen lässt man verdursten.
Am Ende vermehrt man nur eine einzige oder zumindest nur wenige Pflanzen weiter. Dabei selektiert man dann stark nach gewissen allgemeinen Kriterien wie Frühzeitigkeit, Ertragsleistung, Geschmack oder Vitalität/Robustheit (insbesondere gegenüber Braunfäule).
Hat man ein Züchtungsziel, strebt man z.B. eine kompaktwüchsige Sorte mit braunen, süß-würzigen Früchten an, sollte man natürlich auch nur von solchen Pflanzen Samen nehmen, die diesem Vorhaben entsprechen. Dabei sollte man allerdings die allgemeinen Selektionskritieren (Abschnitt weiter oben) nach wie vor berücksichtigen.
Von F2-Pflanzen gewonnene Samen entsprechen dann der F3-Generation. Hat man nur eine Pflanze vermehrt sieht die Samentüte wieder wie folgt aus:
'Black Cherry' x 'Minibel' F3
Hat man allerdings mehrere Pflanzen vermehrt, sollte man die gewonnenen Samen auch getrennt abtüten. Und auch entsprechend individuell kennzeichnen. Jede Samentüte ist nun als ein separates Projekt zu betrachten, welches fertig gezüchtet werden muss.
Zu einer großen Aufspaltung wie in der F2 kommt es nun nicht mehr. Mit fertig züchten ist allerdings gemeint, dass die unfertige Züchtung nun stabilisiert werden muss. Das bedeutet man nimmt von Generation zu Generation immer eine Selektion vor und vermehrt jeweils nur eine Pflanze mit den besten/gewünschten Eigenschaften bzw. Merkmale weiter. Starke, unterschiedliche Pflanzen wie in der F2 kommen zwar nicht mehr vor, durchaus aber noch kleinere Unterschiede. Von Generation zu Generation werden die Pflanzen dann aber immer einheitlicher (also stabiler). Durch die Selektionen. Irgendwann ist die Züchtung dann stabil und somit fertig. Als Richtwert dafür gilt die F7. Man spricht dann von Sortenstabilität. Nun hat der Züchter die Ehre seine Sorte zu benennen. Er darf sich also einen tollen Sortennamen ausdenken...
Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen:
- Ein Profizüchter wird niemals eine zufällige, natürliche Kreuzung als Ausgang für eine Züchtung nehmen. Man bezeichnet eine solche Kreuzung deshalb als Verkreuzung.
- Ein Profizüchter hat im Vorfeld schon hunderte Tomatensorten angebaut, um potenzielle Sorten für eine Kreuzung kennenzulernen.
- Ein Profizüchter nimmt bereits eine Selektion bei den Eltern vor. Das bedeutet er baut eine große Anzahl an Pflanzen an. Also z.B. jeweils 50 Pflanzen der Sorte 'Black Cherry' und 50 Pflanzen der Sorte 'Minibel'. Als Kreuzungspartner wählt man dann jeweils die besten Pflanzen.
'S. pimpinellifolium' x ('Black Cherry' x 'Minibel' F3) F1
Die F-Angabe innerhalb der Klammer friert dann ein. Und am Ende der Kennzeichnung beginnt man wieder mit F1. Schließlich beginnt dann der Prozess der Uniformität (F1) und der Aufspaltung (F2) von erneut (Kreuzung => genetische Neukombination hat stattgefunden)...
Alternativ kann man sich das ganze auch bildlich darstellen. Der wohl bekannteste Tomatenzüchter Tom Wagner (Züchter von 'Green Zebra') geht dabei so vor:
http://2.bp.blogspot.com/_wz6KH09KtYk/Sm...09+126.JPG
(Ich kann das Gekritzel nur nicht lesen...)
Grüßle, Michi ... F1